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Cannes-Gewinner "Uzak": Die
Türkei entdeckt die Vorzüge des Privaten
Es war ein großer Erfolg für das türkische Kino: Großer Jury-Preis in Cannes 2003, und die männlichen Hauptdarsteller wurden als beste Schauspieler ausgezeichnet. Der postmoderne Film "Uzak - Weit" ist freilich nicht nur in Cannes mit Preisen überschüttet worden. Sein Produzent, Regisseur, Kameramann und Autor Nuri Bilge Ceylan alias NBC, 1959 in Istanbul geboren, gehört zu den wenigen unabhängigen Filmemachern der Türkei. "Uzak" erzählt von zwei einsamen Männern, Mahmut (Muzaffer Özdemir) und Yusuf (Mehmet Emin Toprak). Mahmut hat vor Jahren sein Heimatdorf verlassen, sich in Istanbul niedergelassen, als engagierter Fotograf versucht und verdient jetzt seinen Lebensunterhalt mit Werbekatalogen. In der Metropole hat er längst sich von seinen Idealen und von seiner Frau geschieden. Sein Leben reduziert sich auf die Arbeit, das Schauen von Pornos in seiner schicken Wohnung und das wöchentliche Treffen mit seinen idealistischen Kollegen beim Weintrinken. Das monotone Dasein findet sein Ende, als Yusuf, ein Verwandter aus Mahmuts Dorf, für ein paar Tage einzieht. Yusuf ist arbeitslos und möchte auf einem Schiff anheuern. Es ist schnell zu erahnen, daß Mahmuts durchgeplanter Alltag und Ordnungswahn durcheinander kommen werden. Man sieht dem schleichenden Ärger gern zu, weil Mahmut ständig Yusuf hinterher räumen muß. Dem werden ständig neue Regeln auferlegt: Er darf nur auf dem Balkon rauchen, er soll sich mit der Arbeitsuche beeilen - seinesgleichen spekuliere doch nur auf die Hilfe von Verwandten, sagt Mahmut arrogant. Seine Perspektivlosigkeit und Ignoranz quälen Yusuf mehr und mehr. Mahmut seinerseits fühlt sich in seiner Privatsphäre eingeschränkt und läßt es Yusuf spüren. Yusuf schleicht ausweglos einer jungen Frau aus der Nachbarschaft hinterher, Mahmut seiner Ex-Frau. Ständig ist eine Leere im Leben der beiden zu spüren. Sie verhalten sich wie zwei großstädtische Geister, die nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen. Sie wünschen sich eine Änderung herbei, die aber nicht kommen will. Toprak spielt den Mann aus der Provinz so überzeugend, daß man denken könnte, jeder Türke in Deutschland habe solch einen Verwandten. Özdemir mit seinen außergewöhnlichen Gesichtzügen symbolisiert die Traurigkeit an und für sich. Beide verleihen dem Film eine Atmosphäre, die selten im türkischen Kino zu sehen war. Ceylan zeigt den modernen türkischen Mann in der Metropole, der die Privatsphäre für sich entdeckt hat und mit allen Mitteln zu verteidigen weiß. NBC hat der Entwicklung in der türkischen Gesellschaft ein neues Gesicht gegeben, das noch auf der Suche nach einem Namen ist. Bewertung 3
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